Tamboustab

Tambourstab

seit 1998

Über das Projekt Heimspiel

Immer wieder wurden und werden Vereine geschmäht, missachtet, verfolgt oder politisch missbraucht. Dennoch leisten sie als neue soziale Bewegung für „unser Sozialkapital“ ihren Beitrag für die „Mitte der Gesellschaft zwischen Familie und Staat“, als Sinnstifter und Strukturgeber. Ob mit dem Fokus auf Sport, Kultur, Umwelt, Selbsthilfe, Musik oder Arbeit: Derzeit finden mit 600.000 Gruppen in Deutschland mehr als 90 Prozent des bürgerschaftlichen Engagements im Umfeld von Vereinen statt. Gleichzeitig wird die Sorge laut, dass der wachsende Individualismus das Vereinswesen in eine Krise zu stürzen droht. Umso erstaunlicher ist, dass es in Deutschland bisher relativ wenige Studien zur Soziologie, Struktur und Kultur der Vereine gibt.

Das vorliegende fotografische Projekt beschäftigt sich mit den Strukturen, Erfolgen und Umschwüngen, den Bedürfnissen und Motivationen der Mitglieder eines erfolgreichen, mitgliederstarken Musikvereins: Dem Spielmanns- und Fanfarenzug Fürstenau. 1930 in einer Zeit gegründet, in der Vereinsstrukturen in Deutschland durch die Propaganda-Maschinerie der Nationalsozialisten instrumentalisiert und in der Folge durch die Alliierten nahezu verboten wurden, versammelt der Spielmannszug heute fast 200 junge und ältere Menschen, männlich wie weiblich, im Ort verwurzelt oder in Städte verzogen, unter seinem Dach. Ein Großteil davon kommt jeden Freitagabend, pünktlich um 20 Uhr, zur gemeinsamen Probe im Vereinsheim zusammen. Fürstenau hat heute rund 1200 Einwohner – Tendenz sinkend.

„Als ich vierzehn, fünfzehn war, da habe ich gedacht: Spielmannszug, das ist eigentlich uncool, da hast du diese Uniform an, diesen Hut auf, spielst den Zapfenstreich. Wie uncool ist das? Da habe ich mir zwei, drei Jahre Auszeit genommen.

Mittlerweile würde ich sagen, sind wir super modern und Tradition ist etwas ganz Wertvolles, das muss man beibehalten.“

Verena
Mitglied seit 1983

Der Verein ist nicht nur ein Ort der Wertevermittlung, sondern bietet auch Raum für Geselligkeit, Teilhabe und Gemeinschaftsgefühl sowie für die Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Veränderung. Er erfüllt das Bedürfnis seiner Mitglieder nach Sicherheit, Identität, nach Geborgenheit und Struktur und ist vor allem geliebte Routine.

„Wenn du deine Uniform an hast, irgendwie gehörst du, gehören wir zusammen. Jeder kann sich zu jedem stellen. Jeder wird mit seinen Macken akzeptiert.“

Verena

„Gehe ich freitags nicht zum Üben, fehlt mir etwas.“

„Man sieht, wie die eigene Tochter auf einmal mitspielt, die jüngere Generation, mit der man ja dann auch zu tun hat. Das ist schon stark. Deswegen bin ich dabei und werde es wahrscheinlich auch bleiben.“

Günter
Mitglied seit 1968

Das Bindeglied der gemeinsamen Traditionen ist die Musik, aber auch die Konformität als Relikt des musikalischen Ursprungs in der Militärmusik, die bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht. Das einheitliche Marschieren, hellgraue Uniformen und Mützen: Einzelne Interessen werden damit nicht nur im Miteinander, sondern vor allem auch visuell zurückgestellt. Für Außenstehende ist dieses Bild nicht selten befremdlich. Oft auch nicht nachvollziehbar, lösen vor allem Begriffe wie „Tradition“ und „Heimatverbundenheit” im Deutschland der Gegenwart negative Konnotationen und Kritik aus.

Die vorliegende Arbeit hat nicht die Absicht, diesen Zwiespalt im einzelnen Betrachter aufzulösen. Sie will den Verein als Gesamtheit seiner Mitglieder, als sinnstiftende Gemeinschaft, Bedürfnisse und Empfindungen anhand der Darstellung Einzelner erfahrbar machen.

Ines

Ines

Flötistin

Mitglied seit 2004

Lars und Eric

Lars

Passiv

Eric

Trommler

Mitglieder seit 1998

Sophia

Sophia

Flötistin

Mitglied seit 1999

Alexander

Alexander

Flötist

Mitglied seit 1994

Inga und Fiete

Inga

Flötistin

Mitglied seit 1994

Fiete

Miriam

Miriam

Flötistin

Mitglied seit 1994

Leonie

Leonie

Flötistin

Mitglied seit 2015

Mika, Lena, Mati

Mika

Flötist

Lena

Trommlerin

Mati

Flötist

Mitglieder seit 2012

Achim, Otto und Axel

Achim

Flötist

Mitglied seit 2000

Otto

Flötist

seit 1966

Axel

Flötist

seit 1994

Inka und Jule

Inka

Flötistin

Jule

Flötistin

Mitglieder seit 2014

Ralf

Ralf

Flötist

Mitglied seit 1994

Ronja

Ronja

Flötistin

Mitglied seit 2014

Tristan, Thomas, Sophia

Tristan

Flötist

Mitglied seit 2001

Thomas

Flötist

seit 1982

Sophia

Flötistin

seit 1999

Romi

Romi

Flötistin

Mitglied seit 2014

Finn, Max, Martin und Ludwig

Finn

Trommler

Mitglieder seit 2011

Max

Trommler

seit 2007

Martin

Flötist

seit 1982

Ludwig

Flötist

seit 1955

Nicole, Nele, Lars, Eric und Holger

Nicole

Weserbergland Orchester

Mitglieder seit 1983

Nele

Weserbergland Orchester

seit 2009

Lars

Passiv

seit 1998

Eric

Trommler

seit 1988

Holger

Trommler

seit 1981

Marten

Marten

Stabführer

Mitglied seit 1994

Aron

Aron

Flötist, Stabführer

Mitglied seit 2004

Michael

Michael

Flötist, Ehrenvorsitzender

Mitglied seit 1976

Tobias

Tobias

Flötist, Stabführer

Mitglied seit 1983

Dirk, Christoph und Stefan

Dirk

Trommler

Mitglied seit 1976

Christoph

Flötist

seit 1983

Stefan

Flötist

seit 1976

Axel

Axel

Flötist, 1. Kassierer

Mitglied seit 1994

Jan

Jan

Trommler

Mitglied seit 1994

Tobias

Tobias

Flötist, 1. Vorsitzender

Mitglied seit 1994

Fanfare

Fanfare

seit 2017

Unser Spielmannszug spielt ja auch Fanfare. Das machen nicht viele und das ist ja auch so ein Alleinstellungsmerkmal im Kreis Höxter. Ja, man sieht das ja auf Schützenfesten. Zum Beispiel letzte Woche auf dem Schützenfest in Fürstenau: Wenn wir auf dem Zelt Flöte spielen, denken sie „Schön, ein ganz normaler Spielmannszug“ und wenn dann die Fanfare kommt ist das natürlich ein ganz anderes Bild und ein ganz anderer Sound. Da gucken die Leute auch mehr und dann wird man natürlich auch mehr beklatscht.

Alexander
Mitglied seit 1994

neue Sopranflöte
Snare_neu
Sopranflöte_alt
Snare_alt

Sopranflöte(o.l.)

seit 2008

Sopranflöte(u.l.)

seit 1972

Snare(o.r.)

seit 1999

Snare(u.r.)

seit 1953

Becken_neu
Große Trommel_neu
Becken_alt
Große Trommel_alt

Marschbecken 18"

seit 2018

Marschbecken 14"

seit 1983

Große Trommel

seit 2002

Große Trommel

seit 1953

Am Anfang war es schön eine Fanfare zu bekommen. Und mittlerweile ist es nur noch anstrengend. Man braucht so viel Puste und dieses ständige Rauf und Runter. Und dann ist es echt nur anstrengend die Töne zu erwischen.

Ines
Mitglied seit 2004

Fanfare_alt

Fanfare

seit 1983

Kesselpauken_neu
Kesselpauken_neu
Kesselpauken_alt
Kesselpauken_alt

Kesselpauken

seit 2004

Kesselpauken

seit 1953

Günter

Günter

Flötist

Mitglied seit 1968

Günter
Mitglied seit 1968

Wie ist es dazu gekommen, dass du in den Spielmannszug eingetreten bist?

Das ging damit los, dass ich mit zehn oder elf Jahren von dem damaligen Ausbildungsleiter bei uns zuhause angesprochen worden bin, ob ich nicht Bock hätte beim Spielmannszug mitzumachen. Der neue Jugendzug wäre seit vierzehn Tagen angefangen und ich könnte noch einsteigen, allerdings nicht als Trommler, sondern als Flöter. Und da habe ich mir gedacht, meine Kollegen sind schon da und ich kann es einfach versuchen.

Und so bin ich dann 1968/1969 in den Spielmannszug eingestiegen und deswegen habe ich dieses Jahr auch schon die Tapferkeitsmedaille für fünfzig Jahre Mitgliedschaft bekommen. Und seitdem bin ich dem Spielmannszug immer treu geblieben. Das hat natürlich auch seine Gründe, denn wenn man so auf dem Dorfe wohnt, hat man natürlich auch keine großen Auswahlmöglichkeiten im Vergleich zu den Jugendlichen heute. Es gab damals eben nur den Spielmannszug und den Sportverein, wo ich dann auch mit angefangen habe. Und das war unser Reich, das heißt wir hatten die Schule, Familie und dann diese beiden Hobbies, die wir wahrgenommen haben. Und es gab ein großes Miteinander und das war auch der Grund, warum man da reingegangen ist. Im Nachhinein muss man sagen, es war auch gut so.

Stimmt das mit heute immer noch überein?

Ich bin ja schon vor einigen Jahren oder Jahrzehnten aus dem sogenannten Stammzug zum Seniorenzug gewechselt. Da hat man über Generationen ein Miteinander. Und bei den Senioren ist das so, die treffen sich alle drei Wochen und da ist eben nicht mehr nur Üben angesagt, sondern ein geselliges Beisammensein. Man tauscht sich aus, kommuniziert miteinander und die soziale Ader auf dem Dorf, die bleibt dadurch erhalten.

Und es kommt noch eine gravierende Geschichte dazu, die langfristig dazu beigetragen hat, dass Viele über Jahrzehnte in dem Spielmannszug bleiben. Es ist eben nicht nur diese Geselligkeit und das Miteinander, sondern auch der Leistungsgedanke. Da muss ich immer an einen Spruch denken: „Wenn ich freitags nicht zum Üben gehe, dann fehlt mir was“. Das hat jemand aus dem Stammzug gesagt. Es ist ja kein Kegelverein oder so. Es ist ein Spielmannszug, der auch eine gewisse Leistung erbringt, der also nicht nur beim Kölner Karneval oder auf Schützenfesten auftritt, sondern schon immer unter einem gewissen Druck gestanden hat. Es wird eine gewisse Leistungsbereitschaft – egal, ob von den Vorsitzenden oder vom kleinen Spieler – gefordert. Das spiegelt sich auch in der ganzen Historie des Spielmannszuges wider.

Wenn man den Pokalschrank sieht und schaut, wie erfolgreich wir gewesen sind, oder selbst solche Siege mitgemacht hat, trägt das dazu bei, nach wie vor bei dieser Geschichte mitzumachen. Das ist das A und O, denn dieser langfristige Leistungsgedanke hat uns auch zu einer Qualität bewogen. Wenn ich andere Vereine sehe, die damals starke Konkurrenten waren, da sind wir denen von dannen gezogen. Man hat ja auch bei Deutschen Meisterschaften mitgemacht oder ist in Shanghai aufgetreten. Darauf sind wir als alte Leute unheimlich stolz. Man sieht die eigene Tochter, die da mitspielt und die jüngere Generation, mit denen man ja auch zu tun hat. Das ist schon stark. Und deswegen bin ich dabei und werde wahrscheinlich auch dabei bleiben.

Jetzt hast du die Komponenten Gemeinschaft und Leistung genannt. Was hat sich im Laufe der Zeit verändert?

Also es sind meiner Meinung nach ganz gravierende Änderungen eingetreten. Es ist ja ein Verein, der traditionell ist und diese Geselligkeit, diese Leistung schon immer dargelegt hat. Damals auf eine ganz andere Art und Weise. Früher hieß es: Strammstehen, links, rechts ausrichten und es wurde mit Zuckerbrot und Peitsche gearbeitet. Wir hatten eigentlich immer gute erste Vorsitzende, aber früher eben auf einer autoritären Basis. Der ganz große Knackpunkt kam dann meiner Ansicht nach, als der Wechsel stattfand und ein jüngerer das Register übernommen hat. Da habe ich erst gedacht — Mensch, das geht ja jetzt nicht mit der ganzen Tradition überein, wir gehen jetzt einen Generationenwechsel ein. Der neue erste Vorsitzende kam auch gleich mit der Idee, ein Vereinsheim außerhalb von Fürstenau zu bauen, was ja eigentlich gar nicht geht und auch finanzielle Belastungen usw. mit sich bringt.

Aber im Nachhinein betrachtet, war dieser Wurf, eine neue Generation mit jüngeren Leuten in die Führungsebene einzubringen, ganz entscheidend für die weitere erfolgreiche Entwicklung des Spielmannszuges. Und in die neue Führungsebene sind ja auch Leute mit reingekommen, da möchte ich den damaligen Stabführer hervorheben, der ja diese ganze musikalische Richtung vorgegeben hat. Gerade in dieser Periode gab es eine enorme Entwicklung, die viele Leute überrascht hat. Und auch mit dem Bau des Vereinsheims, als eine gewaltige Gemeinschaft im gesamten Dorf aufgetreten ist. Das war einfach ein Glückgriff für Fürstenau. Für die ganze Dorfgemeinschaft, weil das Übungsheim ja von allen Vereinen mitgenutzt wird und dementsprechend fester Standpunkt im Dorf geworden ist.

Du hast gerade schon den Bau des Vereinsheims erwähnt. Wie hast du das wahrgenommen, auch innerhalb des Dorfes?

Also ich war ja einer derjenigen, die absolut dafür waren, denn es geht nichts darüber in die Zukunft zu investieren. Und da ist eine richtige Euphorie entstanden. Als dann die Planungen für den Bau vorangegangen sind, haben auch viele Mitglieder wichtige Aufgaben in der Bauphase übernommen. Und dann gab es so viele Helfer jeglicher Richtung. Das waren ja nicht nur Mitglieder, sondern Leute aus der gesamten Bevölkerung, die sich beteiligt haben. Sei es körperlich, geistig oder mit anderen Möglichkeiten. Und innerhalb kürzester Zeit ist dieses Räumliche entstanden. Das war schon echt ein Wahnsinn und eine beeindruckende Sache, dass man sowas im Dorf erleben kann. Wahrscheinlich wird es sowas in Zukunft nicht mehr geben, weil alleine die handwerklichen Tätigkeiten im Dorfe nicht mehr so vorhanden sind. Vielleicht war das die letzte Möglichkeit, so eine Aktion in Fürstenau zu starten. Und da ziehe ich den Hut vor der Gemeinde Fürstenau und dem Spielmannszug, die das zusammen so auf die Reihe gekriegt haben.

Gab es in der Vergangenheit auch Herausforderungen? Welche waren das?

Ich habe mal eine Situationszeit erlebt, als die „alte Garde“ noch dran war unter den Vorsitzenden, die dann ein Nachwuchsproblem hatten. Das heißt, es waren nicht genug Jungs da und dann kam es, wie soll ich sagen, zu einem leichten Crash. Es haben viele Ältere gesagt, ja, wir können jetzt aber nur Jungs nehmen, weil das so Tradition ist. Wir können keine Mädchen nehmen, die machen zwar die Ausbildung mit, sind dann aber innerhalb kürzester Zeit durch Heirat und Kinderkriegen weg vom Fenster. Das war so ein Hin und Her, wo man sich dann gezwungen gesehen hat, die Damenwelt mit aufzunehmen. Und das im Übrigen zu einem Wahnsinnserfolg, weil gerade die ersten Damen eine gewisse Stabilität mitgebracht haben. Die ließen sich von den Jungs nicht gerade umstürzen.

Und zum gleichen Zeitpunkt kam es zu einer weiteren Veränderung: Bleiben wir der traditionellen Marschmusik treu oder gehen wir den moderneren Weg, indem wir mit Noten und mehr konzertanter Musik spielen? Und ich meine, dass man dann versucht hat, einen guten Kompromiss zu finden. Das man nicht versucht hat, nur diese traditionelle brutale Marschmusik zu spielen, sondern von beidem etwas. Und auch die Fanfaren wurden beibehalten. Mittlerweile sind wir einer der gefragtesten Vereine, die noch vernünftig Fanfare spielen können und auch für Stimmung sorgen. Also war das alles bis zum jetzigen Zeitpunkt richtig. Und dafür muss man allen Dank zollen.

Gibt es für dich einen Moment oder ein Erlebnis, was dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ja, nicht nur mir, sondern wahrscheinlich auch mehreren meiner Kollegen. Ich war damals im Jugendspielmannszug und wir hatten es über die Kreismeisterschaft, Niedersachsenmeisterschaft bis hin zur Qualifikation der Deutschen Meisterschaft gebracht. Es war aber auch gleichzeitig Schützenfest bei uns im Dorf. Wir haben dann von unserem damaligen Stabführer, der schon eine richtig große Autorität war, den Hinweis bekommen, dass wir als Jugendliche und in Bezug auf die Deutsche Meisterschaft frühzeitig zuhause sein sollen. Naja, wir als Jugendliche, ein bisschen euphorisch, haben natürlich leicht überzogen. Mit dem Ergebnis, dass man mich morgens um fünf Uhr mit dem Bus abholen musste, weil ich verschlafen hatte.

Dann sind wir zur Meisterschaft gefahren und haben in einer Halle unser Musikstück spielen müssen. Das war eine riesige Halle, die wir so nicht kannten. Also man muss sich das wie ein Olympiastadion vorstellen mit großer Bühne. Diese Bühne bestand aus gefühlten fünfzig Metern Breite, zehn Metern Tiefe und sie war bestimmt zwei Meter hoch, sodass man das Gefühl hatte, dass alle einen von unten nach oben angucken. Und alle, die nachher von der Bühne gelaufen sind, die haben so ein Flattern der Beine gespürt. Und haben versucht, dann wirklich krampfhaft ihre angeblich zitternden Beine still zu kriegen. Da haben wir vor kurzem noch drüber gesprochen: „Weißt du noch, wie wir damals zur Meisterschaft gefahren sind und wir alle diese flatternden Beine hatten?“ Also das war ein gravierendes Ereignis in jungen Jahren, dass man eine solche Anspannung hatte. Und komischerweise von Allen. Nicht nur von mir, sondern von Allen. Gibt es für dich einen Moment oder ein Erlebnis, was dir besonders in Erin-nerung geblieben ist?

Uwe
Bernhard
Josef
Stefan

Uwe (o.l.)

Trommler

seit 1968

Bernhard (o.r.)

Trommler

seit 1981

Josef (u.l.)

Flötist

seit 1976

Stefan (u.r.)

Trommler

seit 1976

Andreas
Manfred
Otto
Helmut

Andreas

Flötist

seit 1976

Manfred

Stabführer

seit 1973

Otto

Flötist

seit 1966

Helmut

Flötist

seit 1966

Franz-Josef
Bernhard
Josef
Stefan

Franz-Josef

Trommler

seit 1966

Katrin

Flötistin

seit 1987

Britta

Flötistin

seit 1983

Sandra

Flötistin

seit 1983

Verena

Verena

Flötistin

Mitglied seit 1983

Verena
Mitglied seit 1983

Vielleicht erzählst du zuerst einmal, wie du zum Spielmannszug gekommen bist?

Durch Papa bin ich damals zum Spielmannszug gekommen. Papa als Spielmannszugjunge durch und durch. Als es dann hieß, es wird ein neuer Jugendzug gegründet, waren natürlich Britta und ich die Ersten. Zack los. Ich weiß noch, dass Britta unbedingt trommeln wollte. Aber früher gab es noch keine Trommler-Mädchen. Und dann sind wir zur Flöte gekommen. Und ja. Papa. Papa ist der Grund und dafür bin ich ihm auch dankbar. Heute noch.

Früher haben Frauen keine Trommeln gespielt. Wie ist das heute?

Es gibt nur eine Trommlerin und ich glaube, wenn Lena nicht körperlich eingeschränkt wäre, würde es bis heute keine einzige Trommlerin geben, was ich sehr schade finde. Vielleicht sind wir da einfach zu traditionsbewusst. Ich habe keine Ahnung. Es gab ja damals auch Diskussionen wegen der ersten Mädchen im Spielmannszug. Ja, es war immer so ein Hin und Her. Wir Mädchen waren so eine kleine Minderheit. Früher. Aber heutzutage würde ich sagen, wenn die ganzen Mädchen und Frauen nicht im Spielmannszug wären, würde das ganz schön mau aussehen.

Und wie hat sich das dann entwickelt?

Ich glaube wir sind 1983 oder 1984 angefangen. Im Jugendzug waren Mädchen und Jungs gemischt und da spielte es überhaupt gar keine Rolle. Eine Diskussion kam erst noch mal auf, als wir vom Jugendzug in den Stammzug gewechselt sind. Da kamen Kommentare wie „Hat´s ja noch nie gegeben - Frauen und junge Mädchen im Spielmannszug“ oder „Wollen wir das wirklich – das Rumgezicke?“. Da gab es Argumente gegen uns oder für uns. Aber wir mussten uns damals nicht durchsetzen. Wir waren gleichberechtigt und hatten alle viel Spaß miteinander. Aber es war immer dieses klassische Bild: Die Jungs trommeln und die Mädchen spielen Flöte. Ja, und das ist heute noch so. Leider.

Wie stehst du denn Tradition und Modernität gegenüber?

Ich glaube der Verein bekommt das ziemlich gut hin. Als ich vierzehn, fünfzehn war, da habe ich gedacht: Spielmannszug, das ist eigentlich uncool, da hast du diese Uniform an, diesen Hut auf, spielst den Zapfenstreich. Wie uncool ist das? Da habe ich mir zwei, drei Jahre Auszeit genommen. Mittlerweile würde ich sagen, sind wir super modern und Tradition ist etwas ganz Wertvolles, das muss man beibehalten. Ich sehe das jetzt mehr als Bereicherung an. Vielleicht auch, weil sich das Bild einfach ein bisschen gedreht hat. Wir sind in der glücklichen Position, dass wir ein Spielmannszug sind, der sehr bekannt ist.

Der Spielmannszug Fürstenau spielt sowohl auf Wettstreiten als auch bei Festen. Wie erlebst du die verschie- denen Auftritte?

Ich glaube Wettstreite auf Kreisebene sind ein bisschen in den Hintergrund gerückt. Sie haben total an Bedeutung verloren. Ich weiß nicht, ob wir da noch mal die Kurve kriegen. Einen Wettstreit mit Benotung wollen sie nicht mehr, damit wieder mehr Vereine im Kreis Höxter angelockt werden.

Ich bin eigentlich lieber auf Schützenfesten unterwegs. Oder aber wirklich auf den Marschwettbewerben wie bei den Meisterschaften in Kopenhagen oder Chemnitz. Sowas find ich gut. Aber tendenziell eher Schützenfeste oder Feste im Allgemeinen. Da kommt es natürlich auch auf das Fest an, wo wir hinfahren. Ich finde es ist einfach so die Gemeinschaft. Auf manchen Festen hängst du vier Tage nonstop aneinander und erstaunlicherweise funktioniert es. Wenn du von dem einen oder anderen mal genervt bist, setzt du dich halt woanders hin.

Was macht den Verein für dich aus?

Die Stärke vom Verein ist der Zusammenhalt. Und, dass jeder akzeptiert wird, so wie er ist. Das Schöne ist, wenn du irgendwo hinkommst, kannst du dich zu jedem stellen. Ich könnte mich jetzt in eine Runde von den Jüngeren stellen, von Zwanzigjährigen. Andersrum könnte sich aber auch jemand von den Fünfzehnjährigen in eine Gruppe von den Fünfzigjährigen stellen. Wenn du deine Uniform anhast, irgendwie gehörst du, irgendwie gehören wir zusammen. Jeder kann sich zu jedem stellen. Jeder wird mit seinen Macken akzeptiert. Ich glaube das ist eine Stärke.

Beim Üben ist unsere Schwäche die Disziplinlosigkeit. Aber hey, wir sind ein Hobbyverein. Jeder kommt freitags hierhin, weil er es möchte, nicht weil er muss. Weil er vielleicht eine anstrengende Woche hinter sich hat. Man trifft andere, trinkt zwei Bier oder auch nicht. Schnackt ein bisschen. Wenn wir sagen, wir fangen um 20 Uhr an, dann trudeln alle zwischen 20 Uhr und 20.30 Uhr ein und in anderen Vereinen stehen sie pünktlich da und fangen an. Das schaffen wir nicht. Das ist für Andere vielleicht eine etwas schlechte Eigenschaft, aber das ist nun mal so bei uns.

Nicole
Annika
Gerhard
Stephan

Nicole

Flötistin, 1. Schriftführerin

seit 1983

Annika

Flötistin

seit 1987

Gerhard

Flötist, Ehrenmitglied

seit 1966

Stephan

Paukist

seit 1993

Pokal Landesmeisterschaft Harsefeld
Pokal Wettstreit Bad Salzuflen
Pokal Kreismeisterschaft
Pokal Deutsche Meisterschaft Rastede

Landesmeisterschaft Harsefeld (o.l.)

1. Platz Kategorie B

2005

Wettstreit Bad Salzuflen (o.r.)

1. Platz A-Klasse

1963

Kreismeisterschaft (u.l.)

-

1969

Deutsche Meisterschaft Rastede (u.r.)

1. Platz Jugend

2016

Pokal Shanghai Tourism Festival
Pokal Deutsche Meisterschaft Ulm
Pokal Bezirksmeisterschaft Ennigloh
Pokal Deutsche Meisterschaft Lohmühle

Shanghai Tourism Festival

-

2016

Deutsche Meisterschaft Ulm

1. Platz Spielmannszug-Klasse

1972

Bezirksmeisterschaft Ennigloh

1. Platz

1957

Deutsche Meisterschaft Lohmühle

2. Platz Klasse 5

1972

Pokal Weltmeisterschaft Kopenhagen

Weltmeisterschaft Kopenhagen

7. Platz

2015

Wir haben uns damals auf die Weltmeisterschaft in Kopenhagen ziemlich lange vorbereitet und ziemlich oft geübt. Da hat bestimmt jeder so eine Phase gehabt, als er eigentlich kein Bock mehr hatte und sich zum Üben hingequält hat. Nur, als man dann das Ergebnis nachher hatte, waren alle total happy damit. Und die Fahrt nach Kopenhagen, das vergisst keiner so schnell. Fünf Tage lang mit diesem ganzen Haufen unterwegs, in einer Bude sitzen und dann in diesem Fußballstadion spielen. Am Anfang war glaube ich jeder nervös. Und als man dann mit seinem Auftritt durch war und die Pflichtaufgaben erfüllt hatte, da war man ganz schön erleichtert und hat den Rest einfach genossen.

Axel
Mitglied seit 1994

Pokal Kreismeisterschaft Herste
Pokal Wettstreit Blomberg
Pokal Kreiswertungsspiel Kollerbeck
Pokal Kreismeisterschaft Sommersell

Kreismeisterschaft Herste

1. Platz Fanfaren-Klasse

1997

Wettstreit Blomberg

1. Preis Fanfaren-Klasse

1962

Kreiswertungsspiel Kollerbeck

Bronze tradionelle Marschklasse

2017

Kreismeisterschaft Sommersell

-

1957

Tamboustab_alt

Tambourstab

seit 1949

Der Spielmanns- und Fanfarenzug Fürstenau

Seinen Ursprung hat der Spielmannszug im Jahr 1930. Er formierte sich im damaligen Sportverein DJK „Victoria“ Fürstenau auf Initiative der beiden damaligen Lehrer des Dorfes. Aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit und der finanziellen Notlage trafen sich die Bewohner des ostwestfälischen Ortes in ihrer Freizeit vermehrt zum Fußballspielen. Die sportliche Aktivität reichte dem Anschein nach vielen Mitgliedern nicht aus, weshalb 1930 ein Sportfest veranstaltet wurde, mit dessen Erlös einige Instrumente und Ausrüstung für den Spielmannszug angeschafft wurden.

Während der NS-Zeit und im Zuge der Gleichschaltung löste sich der DJK Fürstenau schließlich auf und ging zum neu gegründeten WSV Fürstenau über. Aufgrund dessen formierte sich der Spielmannszug Fürstenau als selbstständiger Verein, denn bis zu diesem Zeitpunkt war er dem Sportverein untergeordnet.

Unter eigenem Vorstand führte der Verein seine Vereinstätigkeit bis zum Jahre 1939 erfolgreich fort. Das Vereinsleben kam in der Zeit des Zweiten Weltkrieges überall zum Erliegen, davon waren die Ortschaft Fürstenau und der Spielmannszug nicht ausgenommen.

Nach dem Krieg formierte sich ein neuer Stamm junger Spielleute, der sich in den darauffolgenden Jahrzehnten zu einem der heute führenden Musikzüge in der traditionellen Spielmanns- und Fanfarenmusik in der Bundesrepublik Deutschland entwickelte.

Bereits 1949 nahm der Verein an seinem ersten Wettstreit teil. Seinen ersten echten Erfolg errang er 1951 mit dem ersten Platz. Dieses Ergebnis wurde in den kommenden Jahrzehnten, besonders auf Kreisebene, zur Gewohnheit. Es folgten regelmäßige Teilnahmen an Wettstreiten auf Kreis- und Landesebene. In den 1970er und 1980er Jahren nahm der Verein erstmals an Deutschen Meisterschaften teil und konnte mehrere Male in verschiedenen Wertungsklassen Deutscher Meister werden.

Im Jahr 2013 wurde der Spielmannszug schließlich Deutscher Vizemeister im Marschwettbewerb auf der Deutschen Meisterschaft in Chemnitz. Damit qualifizierte er sich zudem für die Teilnahme an der Weltmeisterschaft der „World Association of Marching Show Bands“. Zwei Jahre später gelang dem Verein bei der Weltmeisterschaft in Kopenhagen / Dänemark mit dem 7. Platz der bislang größte Erfolg.

Der Verein besteht derzeit aus rund 200 aktiven und passiven Mitgliedern. Die Aktiven teilen sich in insgesamt drei Musikzüge auf: Jugendzug, Stammzug, Seniorenzug. Der mit knapp 70 Personen starke Stammzug bestreitet den überwiegenden Teil des aktiven Vereinslebens. Hierzu zählen Auftritte auf Festen, Teilnahme an Wettstreiten, Ausbildung des Nachwuchses und Organisation und Verwaltung des Vereins.

Mit bis zu zehn Auftritten im Jahr auf Heimat- und Schützenfesten liegt das Hauptaugenmerk des Spielmannszuges seit Beginn auf der musikalischen Gestaltung der Heimatfeste umliegender Ortschaften. Dabei unterstützt der ausgebildete Nachwuchs den Stammzug bei seinen Auftritten und nimmt als Jugendzug ebenso an Wettstreiten teil.

Seit 1985 versammeln sich die älteren Spielleute alle drei Wochen nicht nur zur gemeinsamen Probe, sondern vor allem auch zu einem gemütlichen Abend.

„Wenn Üben ist, ist Üben. Und der Freitag ist gesetzt. Das weiß ja eigentlich jeder. Freitag ist gesetzt für den Spielmanns- zug, also gehst du zum Üben.“

Günter
Mitglied seit 1968

Und so finden sich jeden Freitagabend alle Mitglieder des Stammzuges im Vereinsheim zur gemeinsamen Probe zusammen. Diese Tradition ist nicht nur die Grundlage für Auftritte, sondern auch für gesellige Stunden und den Zusammenhalt im Verein.

Glas Bier
Männecken Piss
Steinhäger
Klumpen Mett

Besonderer Dank gilt

Prof. Axel Grünewald und Prof. Dr. phil. Anna Zika für die Betreuung dieser Abschlussarbeit sowie Paul Fiebig für die gestalterische Umsetzung des Buches und Rebecca Struck für den Einleitungstext

und allen Helfenden

Freya Stadermann, Birgit Eckardt und Lutz Hufeld, Jenny Bewer, Martin Kraft, Vedad Divovic, Annette Küper und Klaus Seelig, Christoph Seck, Alice Meise, Thekla und Josef Fromme sowie allen Beteiligten des Spielmanns- und Fanfarenzug Fürstenau von 1930 e.V.